Fahrbericht Laverda 1000 3 CL

Mit 17 hat man noch Träume! Viele sogar! Meinen Traum von der Karriere als Rockmusiker begrub ich als ich mir beim Versuch "Wish You were here" von Pink Floyd auf der Gitarre zu intonieren fast die Finger brach.

Aber es gibt ja noch die materiellen Träume... Als damaliger DDR-Bürger hingen in den 70er und 80er Jahren meine Traumziele einen beeindruckenden, einspurigen, motorisierten Untersatz zu besitzen verdammt hoch. Träumen konnte ich ja von Norton Commando, Ducati Hailwood Replica, Van Veen OCR oder Laverda Dreizylinder. Real erreichbar war Anfang der 80er Jahre für mich lediglich das sozialistische Arbeiter- und Bauernkrad ETZ 250 von MZ mit beeindruckenden 21 PS in der offenen Ausführung. Jeder kennt (hoffentlich) den Lauf der Geschichte, irgendwann gab es die DDR nicht mehr, die MZ durfte nach 160 000 Kilometern wegen braver Führung in den Ruhestand treten und theoretisch waren jetzt die alten Traummaschinen erreichbare Größen geworden. Leider wurden meine Helden 1989/1990 schon seit Jahren nicht mehr produziert, einige italienische und britische Firmen waren inzwischen ganz von der Bildfläche verschwunden. Stattdessen regierte Japan den Markt und meine Lieblinge von damals wurden schon langsam als Youngtimer und Klassiker gehandelt, meist für mehr Geld als im Neuzustand oder/und oft gnadenlos verbaut. Aber irgendwann schlägt das Glück dann doch zu: In meinem Fall stand ich vor der Wahl meine kaputtgerittene Moto Guzzi V 35 für Unsummen zu reparieren bzw. reparieren zu lassen oder sie stattdessen in Zahlung für eine Neuanschaffung zu geben. Und da stand sie plötzlich vor mir, eine Laverda, eine 1000er, eine Dreizylinder.

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Intensiv Rot wie nur ein italienisches Motorrad oder eine Feuerwehr aussehen darf, langgestreckt, hochbeinig (um nicht von hochhackig oder gar sexy zu sprechen) und... im absoluten Originalzustand! Es gibt Entscheidungen, die fallen nicht im Kopf sondern im Bauch. Dieses Motorrad zu kaufen war eine Bauchentscheidung pur! Sie hatte schon über 25 Jahre auf dem Buckel, gerade erst 23 000 km auf der Uhr und nur einen (italienischen) Vorbesitzer. Jaaaaa, Die oder Keine! Inzwischen fahre ich diesen charmanten Eisenhaufen schon viele tausend Kilometer Sommers wie Winters, lebe mit ihren Macken und Unzulänglichkeiten und genieße die lüsternen Blicke von Mittvierzigern hinter BMW 5er Lenkrädern.

Ja ja, davon habt Ihr mal lange vor der Hochzeit und dem Reihenhaus geträumt, gelle? Die Geschichte der Laverda 3 Zylinder geht auf Anfang der 70er Jahre zurück. Bis dahin waren die 750er Zweizylinder aus Breganze in Norditalien das Größte, Schnellste, Teuerste aus dem Hause Laverda. Nach etlichen Anlaufschwierigkeiten konnte die Dreier 1972 dann wirklich käuflich erworben werden. Die allererste diesen Typs verkaufte Laverda in Deutschland übrigens direkt vom Messestand der IFMA, wo ein Besucher seine Begeisterung nicht zügeln konnte und gleich das Ausstellungsstück mit nach Hause nahm. Ein richtiger Verkaufsschlager wurde die 1000er aber nie was wohl auch daran lag, dass sie ca. 2000 DM teurer war als z.B. eine Kawasaki Z1, die ja in der gleichen Leistungsliga spielte wie die Laverda. Sicher ist das auch der Grund, dass es heute eine umtriebige Szene rund um Hunderte guterhaltener Kawasakis und Honda CBs gibt, die Laverdas aber äußerst selten zu sehen sind.

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Außerdem wurden die Dreizylinder im Laverdawerk nur "mal zwischendurch" auf dem gleichen (und einzigen) Montageband wie die Zweizylinder gebaut, die Stückzahlen hielten sich also ohnehin in Grenzen. Die ersten Modelle hatten noch Duplex-Trommelbremsen und Speichen in Borrani-Hochschulterfelgen, später gab es dann Doppelscheiben vorn und einfach hinten von Brembo und die Gussfelgen die in den 70ern das Non plus Ultra darstellten. Außerdem wurde ein überfälliger Ölkühler hinzugefügt und es gab diverse kleine Änderungen in Sitzbankform, Lage der Hupe, Lenker etc.. Nur der Motor blieb viele Jahre unangetastet: Exakte 981 ccm, 78 PS bei etwas über 7000 Umdrehungen, Bohrung-Hub-Verhältniss fast ausgeglichen und 5 rechtszuschaltende Gänge. Typisch für ein auf Sport getrimmtes italienisches Motorrad war beim Getriebe die lange Übersetzung der ersten Gänge und die enge Abstufung der Oberen. So ließ und läst es sich bei Geschwindigkeiten um und bei 100 km/h hervorragend in den 3 oberen Gängen herumrühren um immer die richtige Drehzahl beizubehalten. Eine Beschleunigung von 4,7 Sekunden aus dem Stand auf 100 und eine Endgeschwindigkeit von knapp 210 km/h (was in der Werbung auch schon gerne mal großzügig übertrieben wurde) waren Mitte der 70er traumhafte Werte, heute schaffen das die meisten Serien-600er locker und ohne dafür ans Leistungslimit gehen zu müssen. Begleitet wird die Leistungsentfaltung des Dreizylinders im oberen Drehzahlbereich von gnadenlosen Vibrationen. Ab 150 km/h im höchsten Gang erkennt man im Rückspiegel nix mehr, schlafen abwechselnd die Füße oder Hände ein und gehen ggf. auch mal ein paar Schrauben verloren, eventuell reißt es auch den Heckbürzel ein....

macht aber rein gar nichts, der Wahnsinnsklang aus der 3-in-1-in-2 Auspuffanlage entschädigt für Alles... Fragt mal all die Überholten... Grund für die "good Vibrations" ist die Motorausführung mit 180 Grad Kurbelwelle, das heißt die beiden äußeren Kolben laufen parallel, der Mittlere dagegen, ist also am oberen Totpunkt wenn die Anderen Kolben ganz unten sind usw.. Der Motor versucht erst gar nicht seine Lebensäußerungen für sich zu behalten, er ist laut und schüttelt sich, beim Gangeinlegen macht es laut "Klack" und auch Ölnebel am Zylinderkopf und -fuß sind nichts Beängstigendes. In den Fahrberichten in "Motorrad" und "PS" der 70er Jahre wird die Laverda nur zu gern als "richtiges Männermotorrad" bezeichnet, garniert von Fotos mit coolen Typen mit Schnauzbart und orangen Lederkombis. Was Feministinnen sicher die Zornesröte in die Wangen schießen ließ hieß im Klartext nur, dass die Maschine gnadenlos auf Sportlichkeit getrimmt war, was in Italien dazumal gerne mit bretthart und ungefedert übersetzt wurde. Also sagen wir heutzutage einfach: Mit Bandscheibenschaden sollte man nicht auf Schlechtwegurlaubstour über mehrer 1000 Kilometer mit diesem Motorrad gehen, dafür gibt es Gold Wing und Konsorten... und da bekommt man auch `ne Stereoanlage zur Übertünchung der Motorengeräusche mit dazu. Das theoretisch Federelemente vorhanden sind bemerkt man spätestens, wenn die Sozia Platz nimmt: Selbst wenn sie nur 60 Kilogramm auf die Waage bringt ist das Limit für die Chromfedern damit erreicht und gnadenloses Durchschlagen selbst bei kleinsten Autobahnwellen vorhersehbar. Also gibt es so mehr oder weniger nur die Alternativen ungefedert oder komplett eingefedert unterwegs zu sein.

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Gibt's in Italien vielleicht nur Straßen auf Rollbahnniveau? Gegen eine Auslegung als Tourenmaschine spricht auch die sehr sportive Sitzposition, die hoch angebrachten Fußrasten, der vielfach einstellbare Brevetato-Lenker, der selbst in der zivilsten Position noch tief nach unten geht und die Tankreichweite von gerade mal wenig über 200 Kilometer. Auch der Verbrauch ist selbst bei gemäßigter Gangart kaum unter 7 Liter zu drücken, Super mit Bleizusatz natürlich. Und wie steht es mit der Zuverlässigkeit der Laverda? Na ja, ich weiß, dass Laverda ursprünglich Traktoren und Landmaschinen produzierte, vielleicht ein Indiz für Etwas aus dem vollen Gefrästen und Bodenständigkeit. Jedenfalls läuft die Laverda seit Jahren ohne Probleme. Motorseitig ist sowieso alles klar, Elektrik ist halbwegs überschaubar und bei guter Pflege und regelmäßigem Austausch einiger Komponenten auch langlebig. Beim Planen einer längeren Reise sollte man alle zwei Tage einen Zeltplatz mit Stromanschluss zur Erfrischung der Batterie mit einrechnen, sonst gibt's Startprobleme... in den 70ern gab es schließlich noch kein Tageslichtgebot! Die Kupplung sollte gleich vor der ersten Fahrt durch Ausnutzung des Wissens über Hebelwirkung auf Leichtgängigkeit umgebaut werden, die ursprüngliche Kette einer modernen O-Ring-Kette weichen und die schwächelnde Batterieleistung... na ja, siehe oben... Ach ja, da ein Ölfilter fehlt sollten die Ölwechselintervalle recht kurz gehalten werden. Ich versuche alle 3000 km die paar Liter 10W50 Vollsynthetik zu erneuern, die Signorina dankt es mit thermischer Stabilität und sauberem Motorlauf. Aber auch die doppelte Kilometerleistung ohne Schmierwechsel hat sie schon klaglos weggesteckt. Und schonendes Warmfahren sollte eigentlich jedem Biker ein Herzensbedürfnis sein.

Na ja, und was macht nun das Besondere aus, eine Laverda 3 CL zu fahren? Lasst das Motorrad einmal in der Kieler (oder einer anderen) Innenstadt stehen, geht ein Eis essen und wundert Euch beim Zurückkommen nicht über die sabbernden 50 Jährigen, die vor dem Krad knien und darum bitten noch einmal 20 sein zu dürfen... Einige Minuten später werden die alten Herren ohnehin wieder auf den Boden der Realitäten zurückgeholt, meist mit dem Zuruf "Schatz, machst Du mal die Heckklappe vom BMW auf, ich muss den Einkauf einladen. Schatz? Was machst Du denn da? Schatz, hör auf dieses schmutzige Krad zu küssen! Schatz? Schaaaaaaatz!..."


Die Laverda ist gute 30 Jahre alt, fährt auch im Winter und lange Touren... und ist im absoluten Originalzustand! Wertzuwachs garantiert!

Bericht: Micha von http://www.bikercomics.com